Wien, die alte Kaiserresidenz ist für mich der schönste Ort auf Erden. Ja, meine Liebe zur Walzerstadt ist nicht von dieser Welt. Wien, du Stadt meiner Träume. Rudolf Sieczynski, der Schöpfer des gleichnamigen Liedes, spricht mir aus der Seele. Und fast jeder, der schon mal in Wien war, bestätigt, wie schön es dort ist. Manch einer sagt jedoch: Wien wäre so wundervoll, wenn nur diese Wiener nicht wären. Es stimmt, dort laufen sie einem tatsächlich in jeder Gasse über den Weg, man kann es nicht ändern (obwohl es angeblich ja gar keine echten Wiener mehr geben soll).
Und in der Tat sind sie ein spezielles Völkchen. Ihnen wird nicht selten Scheinfreundlichkeit, Intriganz, Scheinheiligkeit oder gar eine gewisse Hinterhältigkeit nachgesagt. Nachdem ich nun mindestens 70. Mal in die Donaumetropole gepilgert bin, kann ich das auch ein bisschen bestätigen, zumindest aufgrund von ein paar Begebenheiten.
Da war beispielsweise diese redselige alte Wienerin im Alsergrund, die mich beim Besuch der Servitenkirche auf deren barocke Pracht ansprach, mich durch den Kreuzgang führte, über Jesus, den heiligen Peregrin und andere Patrone sprach und sich als sehr gottesfürchtige und fleissige Kirchgängerin erwies. Sie redete auch über die Schönheit des Stadtbezirks Alsergund, die alten Häuser, die vielen Kirchen und lieblichen Gassen – und in der nächsten Sekunde sagte sie: «Wenn nur diese Neger da in der Rossau nicht wären!»
Eine andere Situation am Rennweg, eine beschauliche Achse mit prächtiger Architektur im dritten Bezirk. Wieder eine ältere Dame. Sie hält auf dem Trottoir inne und bekreuzigt sich weit ausholend und ehrfürchtig über die Strasse hinweg gegen die mächtige Salesianerinnenkirche hin. In diesem Moment wird die Kreuzschlagende von einer anderen älteren Dame beim Vorbeigehen berührt – eindeutig aus Versehen. Wild fuchtelnd, keifend und drohend wie eine gehässige Vettel fährt die Fromme die Ungeschickte an: «Ja, passens gefälligst auf, Sie!»
So tickt es eben, mein innig geliebtes Wien.
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