Betrachtung eines Kunstwerkes
Robert Raschka: Stephansdom – Nordturm und Pilgramkanzel
Es gibt eine Reihe hochkarätiger Aquarellisten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die Wiener Stadtansichten festgehalten haben, welche heute als wertvolle Zeitdokumente gelten können, obschon es die Fotografie damals bereits gab. Allen voran ist natürlich Rudolf von Alt (1812-1905) anzuführen. In dessen Nachfolge traten insbesondere Namen wie Carl Wenzel Zajieck (1860-1923), August Mandlick (1860-1934), Ernst Graner (1865-1943), Friedrich Frank (1871-1945), Franz Poledne (1873-1932), Richard Moser (1874-1924), Erwin Pendl (1875-1945) oder Paul Kaspar (1891-1953) hervor.
Etwas früher als die Genannten war ein weiterer Wiener Aquarellist tätig: Robert Raschka, am 5. August 1847 in Bukarest geboren, liess er sich erst am Polytechnikum in Zürich zum Architekt ausbilden, ehe er sein Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien fortsetzte, dies unter keinem Geringeren als Friedrich von Schmidt.
Raschka bewies eine aussergewöhnlich talentierte Hand, was die Architekturmalerei anging. So zeichnete er nicht nur als Architekt für eine stattliche Zahl öffentlicher und privater Gebäude in Wien und Umgebung verantwortlich, er hinterliess der Nachwelt ein ebenso reiches Oeuvre an hochfeiner Aquarellmalerei. Seine Veduten zeigen bekannte Plätze, Gebäude und Strassenzüge in Wien. Auch reich ausgestattete Interieurs und Ansichten aus der Umgebung von Wien oder anderen Städte wie Prag oder Krakau finden sich in seinem malerischen Werk. Robert Raschka starb am 19. April 1908 in Wien.
Seine Aquarelle zeichnen sich durch frappierende Feinteiligkeit aus. Raschka schien hohen Wert auf das Detail zu legen, insbesondere im Hinblick auf die abgebildete Architektur. Figurenstaffagen und „Beiwerk“ hingegen führt er meist nur angedeutet aus. Besonders eindrücklich ist Raschkas Fokus auf das Detail bei seinen in der Folge vorgestellten zwei Aquarellen des Stephansdomes aus dem Jahre 1899:
Das eine zeigt den unvollendeten Nordturm mit der Renaissancehaube. Auch den Masswerk-Chorfenstern und der Capistrankanzel mit der barocken Erweiterung schenkt er reichlich Aufmerksamkeit. Im Hintergrund unten rechts erkennt man noch das Erzbischöfliche Palais. Da, wo heute die Einfahrt zur Tiefgarage liegt, stehen Fiakerkutschen. Die Figuren bildet Raschka nur schemenhaft ab.
Im zweiten Aquarell zeichnet Raschka die Pilgramkanzel, eines der bedeutendsten Kunstwerke der Spätgotik weit und breit. Der hölzerne Schalldeckel, der hier noch über der Kanzel angebracht ist, hängt heute über dem Taufstein in der Katharinenkapelle. Raschka bildet schenkt selbst dem kleinsten Detail der aus Sandstein gehauenen Kanzel mit Treppenaufgang Aufmerksamkeit, darunter zeichet er den legendären Fenstergucker. Auch der Luster, der Pfeilerschmuck, die Gewölbe und das Fenster führt der Maler mit höchster Liebe zur Detailhaftigkeit aus.
Beide 23 x 30 Zentimeter grossen Bilder sind wunderbare Beispiele bester Wiener Aquarellmalerei der Jahrhundertwende und zeugen von einer sehr geschickten Hand und dem geschulten Auge für die detailgetreue Abbildung der Realität.
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